Das Bezirksgericht Goranboy (Aserbaidschan) verurteilte den 22-jährigen Zeugen Jehovas Seymur Mammadov wegen Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten. Dieses Urteil ist ein direkter Verstoß gegen zwei Aserbaidschan betreffende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
Die zwei seit 2019 verhandelten Fälle des EGMR gegen Aserbaidschan bestätigten das Recht von Zeugen Jehovas, den Wehrdienst aus religiösen Gründen zu verweigern. Die Regierung von Aserbaidschan hatte dem EGMR gegenüber zugegeben, die Rechte der Glaubensmitglieder verletzt zu haben, und erklärte sich zur Wiedergutmachung ihrer materiellen und immateriellen Schäden bereit.
Auch Seymur Mammadov wollte von diesem Recht Gebrauch machen. Als er am 4. Mai 2022 das erste Mal von der Einberufungsbehörde des Bezirks Goranboy vorgeladen wurde, erklärte er den Beamten seinen biblisch begründeten Standpunkt und äußerte den Wunsch, Zivildienst zu leisten. Seymurs berechtigte Bitte wurde jedoch abgelehnt. Direkt nach der Urteilsverkündung am 22. September 2022 wurde er im Gerichtssaal in Gewahrsam genommen und in der Stadt Gäncä inhaftiert.
Durch dieses Urteil ignorierte Aserbaidschan die vorhergegangenen Entscheidungen des EGMR. Seymurs Anwalt hat daraufhin Rechtsmittel eingelegt. Am 12. Dezember 2022 wandelte das Berufungsgericht Gäncä die Freiheitsstrafe in eine Bewährungsstrafe um. Seymur ist jetzt zwar nicht mehr inhaftiert, doch er hat gegen seine unrechtmäßige Verurteilung beim Obersten Gericht Aserbaidschans Rechtsmittel eingelegt.
Während seiner Haft durfte Seymur keine Bibel haben oder Briefe empfangen. Trotz der schwierigen Umstände blieb er positiv. Er konnte mit ungefähr 30 Mithäftlingen über seinen Glauben sprechen und tritt weiterhin mutig für seine Überzeugung ein.
In Österreich hat jeder wehrdienstpflichtige Staatsbürger das Recht, Zivildienst als Ersatz zum Wehrdienst zu leisten. Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1955 eingeführt. Lehnte man aus Gewissensgründen den Waffendienst ab, gab es damals nur den Dienst ohne Waffe innerhalb des Heeres. Erst 20 Jahre später trat dann der Zivildienst in Kraft. Als Alternative zum Wehrdienst wurde er anfangs jedoch kritisch betrachtet. Zivildiener galten gesellschaftlich als Außenseitergruppe. Es brauchte sehr viel Mut, sich für diesen Weg zu entscheiden. Heute entscheiden sich rund 49% der tauglichen Wehrpflichtigen in Österreich dazu, Zivildienst zu leisten.
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