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PÖCHLARN. Dank der Initiative von OSR Ing. Dir. Berthold Obermüller bekommen die SchülerInnen der LBS Pöchlarn mehrmals im Jahr die Gelegenheit, Zeitzeugen der zweiten Generation zu hören.

Am Freitag, dem 12. Jänner war der Kärtner Peter Stocker zu Gast, der die bewegende Geschichte seiner Familie erzählte.

Ein folgenschwerer Entschluss

Das unfassbare Leid begann, als der Großvater Gregor Wohlfahrt als 18jähriger in den 1. Weltkrieg einberufen wurde. Er überlebte zwar, schwor sich aber, sich nie mehr an einem Krieg zu beteiligen, weil er nicht verstand, warum er als österreichischer Katholik auf italienische Katholiken schießen musste. Sein Entschluss sollte 1939 mit Ausbruch des 2. Weltkrieges auf die Probe gestellt werden. Inzwischen war Gregor ein Bibelforscher, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, was auch der Gestapo nicht entging. Er wurde verhaftet und kurze Zeit später in Berlin-Plötzensee enthauptet. Für die Familie Wohlfahrt sollte es noch schlimmer kommen. Insgesamt sieben der 22 Familienmitglieder starben aufgrund ihrer Überzeugung. Wie alle Zeugen Jehovas wollten sie das NS-Regime nicht unterstützen und lehnten die Arbeit in der Rüstungsindustrie, den Wehrdienst und den Hitlergruß ab.

Franz Wohlfahrt und der Versuch, ihn zu brechen

Auch Franz Wohlfahrt, der Onkel von Peter Stocker, dachte nicht daran, Hitler als Führer anzuerkennen. Auch er wurde verhaftet und in den Reichsarbeitsdienst eingezogen. Als er den Dienst mit der Waffe verweigert, kommt er 33 Tage lang in einen feuchten Bunker voller Ungeziefer. Diese Dunkelhaft, ohne Bett und völlig allein, sollte ihn mürbe machen. Doch selbst dieses „Drecksloch“, wie er es nannte, konnte ihn nicht brechen.

Jonas, Laura, Dir. StV. Ing. Gustav Gerstenmayer, Peter Stocker, Esther Dürnberger

Einmalige Chance

Am Ende der 33 Tage hatte Franz die einmalige Gelegenheit, sofort freizukommen. Er bräuchte lediglich eine Erklärung zu unterschreiben und seinen Glauben abzuschwören. Als auch dieser Versuch der Gestapo misslingt, wird er für über 4 Jahre in das Strafgefangenenlager Rollwald in Deutschland überstellt.

Erzählungen über den Lageralltag berühren

Peter Stocker muss sich jedes Mal überwinden, wenn er vom Lageralltag seines Onkels erzählt. Auch die SchülerInnen sind sichtlich gerührt und wollen nicht glauben, wozu der Mensch fähig ist. Stocker schickt voraus, dass die Baracken in der Absicht konzipiert wurden, das Leben der jeweils 100 Insassen so schwer wie möglich zu machen. Sie wurden so gebaut, das der eisige Wind ständig durchzog. Eiszapfen hingen von der Decke und der kleine Kohleofen in der Mitte des Raums bot kaum Abhilfe. Es gab keine Matratzen oder Decken und die Gefangenen schliefen auf dem nackten Holzboden. Hygiene war ein Fremdwort und die Massentoiletten raubten die letzte Menschenwürde. Bei jedem Wetter ging es nach draußen zur Arbeit.

Die „Schuhe“ waren Pantoffeln aus Holz, die meist zu klein oder zu groß waren. Bald waren die Füße wund und es ging zum gefürchteten Lagerarzt. Der rieb die wunden Stellen mit einem Schmirgelpapier glatt und goss Benzin darüber. Nach dieser Prozedur ging es zurück an die Arbeit.

Nur zwei Optionen

Franz Wohlfahrt rechnete nicht damit, diese Hölle zu überleben. Doch er hatte Glück. Ein neuer Kommandant hatte mit dem abgemagerten Franz Mitleid und rettete ihn zwischen 1943 und 1945 dreimal vor der Hinrichtung. Wieder zu Hause gab es für ihn nur zwei Optionen, mit dem Erlebten umzugehen – entweder ein Leben voller Hass- und Rachegefühle zu leben oder inneren Frieden zu finden. In einem bewegenden Gedicht formulierte er seinen Entschluss, der lautete: „Ich bleibe fest.“ Das blieb er bis zu seinem Tod mit 89 Jahren. Dieses Statement kam an.

Stimmen der SchülerInnen:

Laura: „Ich bewundere die Stärke von Franz Wohlfahrt, entgegen dem Zeitgeist Nein zu sagen. Er stand zu seiner Überzeugung und brachte dafür große Opfer. Beeindruckt hat mich auch, wie er nach den traumatisierten Erlebnissen inneren Frieden fand und nicht nachtragend war. Stattdessen suchte er nach Gemeinsamkeiten und war immer für einen Austausch bereit.“

Jonas: „Ich möchte meine Anerkennung Hrn. Peter Stocker aussprechen. Es muss jedes Mal Überwindung kosten, die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Er investiert ehrenamtlich viel Zeit und hat uns viele detaillierte Informationen gegeben, die ich so noch nie gehört habe. Nach diesem Vortrag bin ich überzeugt, dass Schweigen keine Option ist. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, bei meinen Großeltern nachzufragen, was sie von dieser Zeit noch in Erinnerung haben.“

Die SchülerInnen hatten nach dem Vortrag die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Frau Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, schloss die Präsentation mit den Worten: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Die Antwort fiel einstimmig aus: „Dann ist Frieden.“

Foto: © Franz Michael Zagler

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