Niederösterreich. Niederösterreich und Albanien haben mehr gemeinsam, als man erkennen kann. Beide Gebiete fast zeitgleich den Beginn einer neuen religiösen Ära.
1919/1920 konvertierte Johannes Ehm aus Deutsch Wagram im östlichen Niederösterreich zu den Internationalen Bibelforschern, wie man Jehovas Zeugen bis 1931 nannte. 1922, also vor 100 Jahren, wurde Nasho Idrizi der erste Zeuge Jehovas in Albanien. Während Johannes Ehm von einem Ingenieur aus Deutschland von der biblischen Wahrheit erfuhr, hatte Nasho Idrizi in den frühen 1920er Jahren in den Vereinigten Staaten gelebt und dort mit den Bibelforschern einen Bibelkurs absolviert. 1922 kehrte er nach Albanien zurück und erzählte anderen von dem, was er gelernt hatte.

Schon bald wurde biblische Literatur ins Albanische übersetzt und überall im Land an interessierte Personen verteilt. Innerhalb kurzer Zeit schlossen sich viele Albaner Jehovas Zeugen an. Weil sie so eifrig über die Hoffnung der Bibel im ganzen Land von Haus zu Haus sprachen, nannte sie ihre Mitmenschen ungjillorë, was „Evangeliumsverkündiger“ bedeutet.
Dieser Eifer wurde 1939 auf eine harte Probe gestellt. Das faschistische Italien übernahm die Macht in Albanien und Jehovas Zeugen wurden verboten. Da sie sich weigerten, während des Griechisch-Italienischen Kriegs zu den Waffen zu greifen, kam es zu Schwierigkeiten mit der Regierung.
Auch in Niederösterreich litten Jehovas Zeugen. 1934 wurde Johannes Ehm unter Druck gesetzt, aus dem Schuldienst als Musiklehrer auszuscheiden. Wie er später schrieb, „verlangte [man] von mir, wieder katholisch zu werden, was ich entschieden ablehnte.“ Jehovas Zeugen hatten unter dem NS-Regime schwer zu leiden und von ihnen ließen sogar ihr Leben für ihre christliche Überzeugung.
Während nach dem zweiten Weltkrieg in Niederösterreich die freie Religionsausübung wieder möglich war, begann in Albanien die Verfolgung für Jehovas Zeugen erst richtig.
Als 1944 die kommunistische Partei an die Macht kam, wurden viele von ihnen inhaftiert und misshandelt. Andere wurden von ihrer Familie getrennt und in weit entfernte Arbeitslager geschickt. Während dieser Jahre war Albanien vom Rest der Welt abgeschottet. 1967 erklärte sich Albanien zum ersten atheistischen Staat.
Damals gab es nur noch wenige Zeugen Jehovas im Land. Das sollte sich am 22. Mai 1992 nach über 50 Jahren Verbot, ändern. Der Kommunismus brach zusammen und Jehovas Zeugen wurden rechtlich anerkannt – 17 Jahre vor der staatlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft in Österreich am 07. Mai 2009.
Heute gibt es in Albanien 5550 Zeugen in 89 Gemeinden. In Niederösterreich sind es 4375 Mitglieder in 54 Gemeinden. Ob in Albanien oder in Niederösterreich: Überall sind Jehovas Zeugen als ungjillorë, was „Evangeliumsverkündiger“ bedeutet, bekannt – auch wenn sie derzeit aufgrund der Pandemie nicht von Haus zu Haus unterwegs sind, sondern brieflich auf die Hoffnung der Bibel aufmerksam machen.
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