Seit Februar 1922 besteht die Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Am heutigen Donnerstagnachmittag wurde im Auditorium Grafenegg das 100-jährige Bestehen mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, NÖ Landwirtschaftskammer-Präsident Johannes Schmuckenschlager, Bundesminister Norbert Totschnig, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf und rund 650 Ehrengästen gefeiert.
„Es kann kein Zufall sein, dass wir heuer zwei besondere Jubiläen feiern: 100 Jahre Landwirtschaftskammer Niederösterreich und 100 Jahre eigenständiges, souveränes Bundesland Niederösterreich. Es ist auch kein Zufall, sondern Bestätigung dafür, dass es immer ein Miteinander von Land und Landwirtschaftskammer gegeben hat“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in ihrer Festrede. Mit Grafenegg habe man einen symbolträchtigen Ort für diesen Anlass gewählt, der eng mit der Kultur und der Geschichte des Landes verbunden sei, der weit über die Landesgrenzen hinauswirke und der die Möglichkeit gibt, in die Welt hinauszublicken. „Dieser Blick in die Welt erfüllt uns derzeit mit Sorge. Denn wir befinden uns in herausfordernden Zeiten, vor allem auf Grund des Krieges in der Ukraine. Dieser Krieg hat dramatische Auswirkungen auf Europa, die ganze Welt, auf uns alle“, führte die Landeshauptfrau aus.
Momentan wachse sich die Sicherheitskrise zu einer Ernährungskrise aus, da Getreideexporte aus der Ukraine nicht möglich seien. Daher brauche es ein entschlossenes Handeln sowohl seitens der Bundesregierung, der gesamten EU als auch der ganzen Welt. „Wir befinden uns in herausfordernden Zeiten, in einer Krise“, sagte Mikl-Leitner und ergänzte: „Und, wenn jemand Krise kann, dann ist es der Bauernstand. Denn wer im Bauernstand verankert ist, weiß mit Herausforderungen umzugehen.“ Sie denke an die Wetterkapriolen, Hochwasser, Sturm oder Hitzeschäden sowie an die Herausforderungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Gerade die Pandemie habe jedoch gezeigt, wie wichtig das Thema Eigenversorgung sei. „Es ist wichtig, erfolgreiche Bäuerinnen und Bauern zu haben. Und wenn wir alle etwas spüren, dann ist es, dass die Wertschätzung und der Respekt gegenüber unseren Bäuerinnen und Bauern massiv gestiegen sind“, unterstrich Mikl-Leitner und sagte: „Das alleine ist zu wenig. Es braucht auch entsprechende Rahmenbedingungen, die ihnen das Arbeiten möglich machen.“ Umso wichtiger sei es, dass zurzeit an einem Entlastungspaket für die Landwirtschaft gearbeitet werde. Weiters brauche es international faire Wettbewerbsbedingungen, ein erster Schritt sei mit der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung ab 2023 gelungen.
„Unsere Bäuerinnen und Bauern sind nicht nur Lebensmittelproduzenten, sondern Energieproduzenten, Landschaftserhalter, Arbeitgeber und entscheidender Wirtschaftsfaktor. Bei ihnen haben Heimatverbundenheit und Tradition, aber auch Weltoffenheit und Innovation oberste Priorität“, meinte Mikl-Leitner. Gerade bei Innovationen seien die Bauern vorne mit dabei. Sie denke zum Beispiel an die „Innovation Farm“ oder an die Forschung am IFA Tulln. „Die Landwirtschaft in Niederösterreich ist weltoffen und geerdet zugleich. Genau das ist der Weg, auf dem wir miteinander in die Zukunft gehen wollen. Mit einem starken und kompetenten Partner an der Seite – der Landwirtschaftskammer Niederösterreich“, so die Landeshauptfrau.
Niederösterreichs Landwirtschaftskammer Präsident Johannes Schmuckenschlager sagte: „Die Kernaufgabe der Landwirtschaftskammer hat sich in all den Jahren nicht verändert. Es geht darum, die Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen und ihren Anliegen und Werten eine starke Stimme zu geben. Das war 1922 so und das ist noch heute so.“ Hauptthemen seien heutzutage einerseits die Versorgungssicherheit, andererseits Digitalisierung und Innovation zu nutzen. „Die Landwirtschaftskammer macht keine Frauen-, aber auch keine Männer-Politik, sondern in der Landwirtschaftskammer machen Frauen und Männer Agrarpolitik“, unterstrich Schmuckenschlager die zentrale Aufgabe der flächendeckenden Interessensvertretung. Zudem komme der Agrarkommunikation eine immer zentralere Rolle zu: „Die Bäuerinnen und Bauern sind die Botschafter der Landwirtschaft“, sagte er und blickte optimistisch in die Zukunft: „Mit Ausdauer, Engagement und Willensstärke werden wir weiterarbeiten.“
„Die Krise macht es deutlich sichtbar: Das Thema Versorgungssicherheit wurde in den Fokus gerückt“, sagte auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und ergänzte: „Derzeit ist die Lebensmittelversorgung in Österreich gesichert, dafür sorgen unsere Bäuerinnen und Bauern. Wir müssen aber auch unterstützen und einen Solidaritätsbeitrag leisten“, sagte er im Hinblick auf Flüchtlinge. Zur aktuellen Teuerung sei ein Entlastungspaket in Höhe von 110 Millionen Euro im Entstehen. Weiters sehe er Handlungsbedarf zur Verbesserung der Chancengleichheit zwischen Stadt und Land.
„Die Landwirtschaft hatte noch nie so eine gute Ausgangssituation“, unterstrich LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, denn aufgrund der aktuellen Lage sei die Landwirtschaft systemrelevant und das Thema Versorgungssicherheit in der Bevölkerung angekommen. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Landwirtschaftskammer, die seit 100 Jahren eine starke Stimme für den ländlichen Raum und verlässlicher Partner für die Bäuerinnen und Bauern im Land sei.
Landwirtschaftskammer Österreich-Präsident Josef Moosbrugger betonte: „Wir können das feiern, weil es eine Interessensvertretung gibt, die standfest Positionen vertreten hat und für den Berufsstand gekämpft hat.“ Die Landwirtschaft sei zwar im ständigen Wandel, „Veränderung hat es immer gegeben und wird es immer geben. Wir wollen weiterhin eine produzierende Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung sichern“, sagte er. „Wir reden nicht nur darüber, wir setzen die Dinge auch um, dafür steht die Kammer“, so Moosbrugger.
Kammerdirektor Franz Raab sagte: „Eine Landwirtschaftskammer von Bäuerinnen und Bauern für Bäuerinnen und Bauern. Dieses Modell hat 100 Jahre funktioniert. Es gibt keine Patentlösung für aktuelle und künftige Herausforderungen. Aber ich glaube wir sollten uns davon leiten lassen, Ermöglicher zu sein, mutig und zukunftsorientiert zu handeln, im partnerschaftlichen Miteinander zu agieren und die Arbeit immer gemeinsam zu tun.“
Weiters zu Wort kamen Vizepräsidentin Andrea Wagner, Vizepräsident Lorenz Mayr, Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger, Vertreter der Landjugend sowie per Videobotschaft Günter Walkner (Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen FAO), Gabriel Felbermayr (Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO), Eva Schulev-Steindl (BOKU) und Barbara Stelzl-Marx (Ludwig Boltzmann-Institut).