Anzeige

Trotz Pandemie waren die freiwilligen Mitarbeiter_innen der Rotkreuz-Kriseninterventionsteams in den vergangenen Jahren stark gefordert. Telefondienste und eine Kriseninterventions-Task-Force ermöglichten es, trotz aller Herausforderungen selbst im Lockdown Unterstützung zu bekommen. „Gerade die Pandemie hat uns allen gezeigt, dass seelische Erste Hilfe ein wichtiger Faktor oder auch erster Schritt bei der Bewältigung schwieriger Situationen ist“, erklärt Präsident Josef Schmoll, Rotes Kreuz Niederösterreich. Steigende Einsatzzahlen zeigen, dass immer mehr Menschen diese Hilfsangebote annehmen. Vor allem aber der Dank der Klient_innen, oft aber auch nur ein Blick, ist es, der zeigt, wie wichtig diese Leistungen der freiwilligen Rotkreuz-Mitarbeiter_innen in den vergangenen 20 Jahren geworden sind.

Präsident Josef Schmoll, Landesdirektor GSD Hannes Buxbaum, Leiter Krisenintervention St. Pölten Georg Hauer, Sonja Pricken, Peter Kotynski, Chefpsychologe Cornel Binder-Krieglstein

 „Wir sind da, um zu helfen“, sagt Schmoll. „Diese Kernaussage unseres Leitbildes ist unser Auftrag – und Hilfe wird in vielen Bereichen gebraucht. Oft sind es keine körperlichen, sondern seelische Wunden, die versorgt werden müssen. Wir, das Rote Kreuz, sehen es als unsere Aufgabe, für Menschen in Not da zu sein.“ Die Krisenintervention im Roten Kreuz übernimmt die Betreuung von Menschen nach traumatischen Ereignissen wie plötzliche lebensgefährliche Erkrankung, Verletzung oder Tod eines Angehörigen, Verlust der Lebensgrundlage etwa durch Naturkatastrophen oder ähnlichem.

„Ziel ist die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit und der Unterstützung des Trauerprozesses“, erklärt Chefpsychologe Cornel Binder-Krieglstein. „Wenn man einmal die Wirkfaktoren der Krisenintervention betrachtet, so sind diese vor allem geprägt durch Sicherheit, Verbundenheit, Ruhe, Selbst- und kollektive Wirksamkeit sowie Hoffnung.“ Dabei sei es ganz wesentlich, dass die Personen sich selbst dazu entscheiden, ob und wie viel sie erzählen wollen. „In der Krisensituation, in der sich diese Menschen befinden, ist es essenziell, das Stressempfinden zu reduzieren.“ Nicht zu unterschätzen sei die Wirkung von richtigem Zuhören. „Jemand, der wirklich präsent, interessiert und aufmerksam ist, kann vieles bewirken“, meint der Chefpsychologe. „Wesentlich ist aber oft auch die Information zu geben, welche Schritte die nächsten sind – oder wo man weiterführende Hilfe bekommen kann.“

Krisenintervention im Einsatz
Als vor zweiundzwanzig Jahren bei der großen Lawinenkatastrophe in Galtür erstmals Psycholog_innen als freiwillige Mitarbeiter_innen des Roten Kreuzes in den Einsatz geschickt wurden, um den betroffenen Opfern, Angehörigen und Rettungskräften zu helfen, wurde der Grundstein für eine ganzheitliche Notfallversorgung gelegt. Heute sind sie im Hilfsangebot des Roten Kreuzes nicht mehr wegzudenken.

Die Krisenintervention des Österreichischen Roten Kreuzes zählt zu den Vorreitern in Europa. In Niederösterreich sind die Rotkreuz-Kriseninterventions-Teams bereits seit 2001 im Einsatz – und die Einsatzzahlen nehmen jährlich zu, sieht man von der Unterbrechung durch die COVID-19-Pandemie ab. „Waren es im Jahr 2001 noch insgesamt 45 Einsätze mit 86 betreuten Personen, so lagen die Zahlen im Jahr 2020 – trotz Pandemie – bei 782 Einsätze mit 1.452 betreuten Personen“, erläutert Schmoll. „In den Jahren 2017 bis 2019 steigerte sich die Zahl der betreuten Personen kontinuierlich und lagen im letzten Jahr vor der Pandemie bereits bei 2.403 Menschen, die die Arbeit der Kriseninterventions-Mitarbeiter_innen in Anspruch nahmen.“ Auch im Jahr 2021 waren die Kriseninterventions-Teams bereits sehr gefragt: bei insgesamt 637 Einsätzen wurden bis Ende September 1.359 Menschen betreut.

2020 war auch in der Krisenintervention alles anders. Der Betrieb vor Ort musste vorübergehend eingestellt bzw. – so möglich – auf Telefonbetreuung umgestellt werden. Doch eines war schnell klar: Die Betreuung am Einsatzort oder bei den Familien kann zwar unter Umständen auch via Telefon mit Erfolg abgehalten werden, ersetzt aber die vor Ort Betreuung nicht vollständig. Um den Betrieb trotz Pandemie wieder aufnehmen zu können, wurde eine Kriseninterventions-Task-Force gegründet und dank zusätzlicher Schulungen konnte die Betreuung im Winter 2020 wieder aufgenommen werden. Eigene Schulungen wurden ausgearbeitet und mit dem nächsten Lockdown konnten wieder Kriseninterventions-Mitarbeiter_innen vor Ort Hilfe leisten.

Ein markantes Beispiel dafür gab es bereits im Jänner 2021, als es im Bezirk Korneuburg hieß: Gasexplosion in Langenzersdorf. Ort des Geschehens war ein Mehrparteienhaus mitten in der Gemeinde. Schnell waren zahlreiche Kräfte vor Ort – darunter zahlreiche Rotkreuz-Rettungsmittel, zwei Notarzteinsatzfahrzeuge sowie die Suchhundestaffeln. Die Task Force Krisenintervention wurde ebenfalls frühzeitig alarmiert und unterstützte vor Ort im Betroffeneninformationszentrum – bzw. darüber hinaus einige Tage später, als betroffene Bewohner_innen kurzfristig ihre wichtigsten Güter aus der Wohnung holen konnten. Gerade diese Situationen sind es, bei denen die Unterstützung dieser Einheit immer wichtiger wird.

Die Krisenintervention des Roten Kreuzes unterstützt im In- und Ausland durch Stabilisierung und Mobilisierung persönlicher Ressourcen, Aktivierung des sozialen/familiären Netzwerkes sowie Vermittlung weiterer Betreuung durch Psycholog_innen/Psychotherapeut_innen oder andere Fachberatungsstellen. Krisenintervention erfolgt unmittelbar nach dem Ereignis in der Akutphase, also noch mitten im Einsatzgeschehen und versteht sich als Akutbetreuung und nicht als Therapie, schließt also das „Fenster“ zwischen Ereignis und professioneller psychosozialer Nachbetreuung.

Was zählt, ist der Mensch
„Neben den freiwilligen Laienhelfer_innen arbeiten in den einzelnen Teams auch Sozialpädagog_innen, Diplomiertes Gesundheits- und Pflegepersonal, Lebens- und Sozialberater_innen und Psycholog_innen mit, die ihre fachlichen Fähigkeiten ehrenamtlich einbringen“, sagt Chefpsychologe Cornel Binder-Krieglstein. Sie betreuen Menschen nach außergewöhnlich belastenden Ereignissen. In ganz Niederösterreich stehen dem Roten Kreuz 292 psychologisch geschulte Kriseninterventions-Mitarbeiter_innen und psychosoziale Fachkräfte in Form von multiprofessionellen Teams (erfahrene Einsatzkräfte und psychosoziale Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen wie zum Beispiel Psychologie, Sozialarbeit oder Seelsorge) zur Verfügung. Zusätzlich werden diese durch fachliche Hintergrundbereitschaftsdienste, bestehend aus Einsatz erfahrenen psychosozialen Fachkräften ergänzt. Diese stehen den Teams beratend zur Seite und bieten Supervision und Fortbildungen an.

„Die Alarmierung erfolgt ausschließlich durch die Einsatzkräfte vor Ort (Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei, jeweils zuständige Katastrophenschutzbehörde) über die jeweiligen Rettungsleitstellen“, erläutert Schmoll. Zudem müssen die Betroffenen einer Betreuung zustimmen. Die Teams sind 24 Stunden, sieben Tage die Woche erreichbar. „In enger Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst sind die Kriseninterventionsteams Begleiter_innen, die für die Betroffenen Rahmenbedingungen schaffen und diese handlungsfähig halten sollen“, meint Binder-Krieglstein.

Dabei ist es dem Roten Kreuz besonders wichtig, dass diese Hilfestellung weiterhin kostenlos für die Betroffenen angeboten werden kann. „Menschen, die in akuten Situationen psychosoziale Hilfe benötigen, sollen diese schnell und unbürokratisch in Anspruch nehmen können. Die Krisenintervention wird über Spendengelder finanziert und ist für Betroffene kostenlos“, meint Schmoll.

Ausbildung als Qualitätskriterium
Selbstverständlich wird auf die Qualität der Ausbildung geachtet. „Die zunehmenden Anforderungen an unsere Kriseninterventions-Teams macht eine ständige Überarbeitung und Anpassung der Aus- und Fortbildung für diesen Bereich unabdingbar“, erklärt der Chefpsychologe Binder-Krieglstein, der die Kriseninterventionsarbeit von Beginn an im Roten Kreuz mit aufgebaut hat.

„Natürlich ist es uns hier besonders wichtig, dass wir die Ausbildung immer weiter adaptieren und aus Erfahrungen lernen.“ So wurde beispielsweise bereits 2014 die Ausbildung auf neun Tage plus einen Prüfungstag ausgeweitet, Skripten, ein Fragebogen für Interessenten wie auch ein eigenes Ausbildungsbuch zur Dokumentation folgten in den nächsten Jahren. „2020/21 haben wir dann auch diese Fortbildung mit e-Learning-Modulen ergänzt – sozusagen ein Gebot der Stunde“, so Binder-Krieglstein.

Foto: © Rotes Kreuz NÖ / M. Hechenberger

Anzeige