Als „Zeichen der Dankbarkeit für ihre Bemühungen, die Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu bewahren und weiterzugeben“ erhält NS-Opfer Simone Arnold-Liebster den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Als Zeugin Jehovas wurde ihr und ihrer Familie unsägliches Leid angetan. Die Auszeichnung wurde ihr vom deutschen Generalkonsul Thomas Pröpstl am 15. Dezember im Rahmen einer Zeremonie im französischen Chambéry, nahe ihrem Wohnort Aix-les-Bains, überreicht.
Berlin, 15.12.2023 – Mit der Auszeichnung wird das Engagement von Simone Arnold-Liebster gewürdigt, die Geschichte ihrer Familie mit jungen Menschen zu teilen. In den letzten 20 Jahren sprach die heute 93-jährige Elsässerin vor rund 27 000 Schülern und Studenten rund um den Globus über die Wichtigkeit, friedliche Werte zu erhalten und der Stimme des Gewissens zu folgen.
Ungebrochen trotz grausamer Misshandlung
Simone zieht es schon als Elfjährige im besetzten Frankreich vor, ihrem christlichen Gewissen als Zeugin Jehovas zu folgen, anstatt dem Druck der menschenverachtenden NS-Ideologie nachzugeben. Sie verweigert in der Schule den Hitler- und Fahnengruß sowie das Singen von Soldatenliedern. Darum wird sie von Lehrern und Schülern schikaniert und misshandelt. Simone erinnert sich: „Einmal wurde ich ohnmächtig geschlagen, man untersagte sogar unserem Hausarzt, mir zu helfen. Ich wurde vom Gestapo-Psychiater über eine Stunde verhört, worauf man mich dann vor das Jugendgericht brachte.“ Schließlich wird sie mit 12 Jahren ihrer Mutter entrissen und in eine NS-Erziehungsanstalt nach Konstanz verschleppt.
Dort muss sie Zwangsarbeit und seelische Misshandlung durchstehen. „Zweimal im Jahr konnten wir baden, einmal im Jahr unser Haar waschen. Uns Kindern wurde das Sprechen verboten“, erzählt Simone. Die Kinder werden mit Schlägen und Nahrungsentzug bestraft. Doch Simone lässt sich nicht brechen: Sie bleibt ihren christlichen Werten treu – und das fern ihrer Eltern, die beide in deutschen Konzentrationslagern waren. Wäre die Befreiung nicht gekommen, hätte man sie mit 15 Jahren in ein Konzentrationslager überstellt. Nach Kriegsende ist Simone wieder mit ihren Eltern vereint. Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter überleben nur knapp die menschenunwürdigen Zustände der deutschen Konzentrationslager und sind von Hunger und Verletzungen so stark gezeichnet, dass Simone sie fast nicht wiedererkennt.
Engagement für friedliche Erinnerungskultur
Simone gründet 2002 zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Max Liebster, die Arnold-Liebster-Stiftung. Ihr gemeinsames Ziel: Die Erinnerung an die Opfer von Diktaturen und religiöser Verfolgung wachzuhalten. Ihre Geschichte macht deutlich, dass es einfachen Menschen gelingen kann, Rassismus und religiöser Intoleranz friedlich entgegenzuwirken. Simone sagt: „Wenn es Liebe und Glaube gibt, dann gibt es auch die Kraft zum Widerstehen gegen die Unmenschlichkeit. Diese Kraft kommt aus dem eigenen Gewissen – unserem Gewissen zur Mitmenschlichkeit.“
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Franz Michael Zagler
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