Start Niederösterreich Zeitzeugin in BHAK Eisenerz „KEIN Brot – das ist hart!“

Zeitzeugin in BHAK Eisenerz „KEIN Brot – das ist hart!“

Fr. Esther Dürnberger, Chantal Gschiel, Mag. Wolfgang Perndorfer, Ingrid Portenschlager, Fabian Trummer neben Fr. Mag. Elke Hirner

Eisenerz. Frau Ingrid Portenschlager, Zeitzeugin der 2. Generation war am Freitag, den 10. Februar Gast in der BHAK Eisenerz. Im Festsaal erzählte Frau Portenschlager mit Unterstützung von Frau Esther Dürnberger, Referentin vom Verein Lila Winkel, der sich für die Rehabilitierung von Opfern der NS-Zeit einsetzt, die Geschichte ihres Vaters Ernst Reiter, der als Bibelforscher (wie damals Jehovas Zeugen genannt wurden) nach 1600 Tagen im Konzentrationslager Flossenbürg schwer traumatisiert nach Hause kam.

„Lebend kommen Sie hier nicht heraus“
So wurde Ernst Reiter vom Hauptmann am Eingangstor „begrüßt.“ Er sollte nicht recht behalten. 1958 reiste der Vater mit Ingrid und ihren beiden Schwestern nach Flossenbürg und ließ dem Hauptmann ausrichten: „Von Ernst Reiter, Häftling Nr. 1935 ICH LEBE NOCH.“

Fr. Esther Dürnberger, Chantal Gschiel, Mag. Wolfgang Perndorfer, Ingrid Portenschlager, Fabian Trummer neben Fr. Mag. Elke Hirner

Es dauerte viele Jahre, bis Ernst Reiter über sein langjähriges Martyrium reden konnte. Die 9jährige Ingrid ahnte damals noch nicht, wie sehr dieser Satz und seine Entstehungsgeschichte ihr Leben prägen würde.

Der berührende Vortrag der 73jährigen klagte nicht an – er sensibilisierte. 90 SchülerInnen folgten aufmerksam den Erzählungen über Portenschlagers Vater, der Einzelhaft, Folter und Hunger durchlebte, nur weil er den Dienst mit der Waffe verweigerte. Ernst Reiter überlebte alle Torturen ohne Verbitterung und Hass. Selbst den Todesmarsch am Ende des Krieges überstand er. Die 23köpfige Gruppe der Bibelforscher mit dem Lila Winkel, der Ernst Reiter angehörte, hielt eisern zusammen und jeder opferte sich für den anderen auf.

Weißes Blatt – Schwarzer Punkt
Dieser gelebte Zusammenhalt war eine der Lehren, die Tochter Ingrid für ihr Leben zog. Ihr Vater mahnte seine drei Töchter, mit allen Menschen gut auszukommen und das Positive zu sehen. Noch heute erinnert sie sich an das weiße Blatt Papier mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Auf die Frage ihres Vaters, was sie denn sehe, wies sie auf den schwarzen Punkt hin. Ihr Vater lehrte sie, alle Menschen als ein weißes Blatt Papier zu sehen, statt sich auf die Fehler, die jeder hat, zu konzentrieren.

„Komm Max, trinken wir ein Bier“
An eine Begebenheit erinnert sich Ingrid noch, als wäre es gestern gewesen. Als 16jährige war sie gerade mit ihrem Vater unterwegs, als sie zufällig einen ehemaligen Peiniger trafen. Dieser hasste Ernst Reiter so sehr, dass er ihn jedes Mal, wenn er ihn im KZ sah, mit einem Gartenschlauch, gefüllt mit Sand, heftig schlug. Aber anstatt den damaligen Kapo zur Rede zu stellen oder ihm Vorwürfe zu machen, sagte ihr Vater nur: „Komm Max, trinken wir ein Bier“, das er auch noch bezahlte.

90 SchülerInnen hörten die spannende Geschichte von Ernst Reiter

„KEIN Brot – das ist hart!“
Auch lehrte er sie, mit Lebensmittel nie verschwenderisch umzugehen. Im Lager gab es nur eine ungewürzte Wassersuppe mit ungeputztem Gemüse. Im Winter war sie gefroren, im Sommer war das Gemüse verfault. Der Hunger war sein ständiger Begleiter. Als sie sich als Kinder einmal über ein hartes Brot beschwerten, sagte er: „KEIN Brot – das ist hart.“ Die Botschaft kam an. Zwei Schülerinnen beschrieben direkt im Anschluss ihre Eindrücke.

Chantal Gschiel: „Richtig fasziniert hat mich, dass Ernst Reiter überhaupt nicht nachtragend war. Der ganze Vortrag hat mich emotional sehr berührt und es tut mir im Herzen weh, das Menschen so behandelt wurden. Ich bewundere Ingrid Portenschlager für ihren Mut, die Geschichte ihres Vaters zu erzählen – also, ich könnte das nicht.“

Fabian Trummer: „Tragisch fand ich, dass die Anhänger der menschenverachtenden Ideologie von Hitler, Zeit ihres Lebens nicht zugeben konnten, dass sie falsch lagen. Diese fehlende Einsicht beobachte ich leider auch heute. Viele sind nicht bereit, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Angst macht mir auch, dass sich die heutige Gesellschaft sehr leicht von radikalem Gedankengut verleiten lässt. Ich schätze die Zeitgeschichte von Familien und ihre Bereitschaft, zu erzählen, wie es wirklich war.“

Die SchülerInnen hatten nach dem Vortrag die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Frau Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, schloss die Präsentation mit den Worten: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Ein Schüler unterbrach die Stille und rief spontan: „Dann wäre Frieden.“

Medienkontakt:
Franz Michael Zagler,
Tel: 0676/637 84 96,
E-Mail: f.m.zagler@aon.at

Foto: Franz Michael Zagler

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