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Leichter als die Vernunft

AUTOTEST. Alpine A110 GT

Wir stehen vor ihr und spüren es sofort: Diese Alpine A110 GT ist kein Sportwagen aus dem Baukasten der Moderne, sondern ein Fahrerauto, das uns direkt in die Welt der Formel-1-Gene und französischen Racing-Romantik zieht. Ein sehr emotionaler Abschied…

Wir gehen einmal um sie herum und können uns kaum sattsehen. Alpine-Blau, ein Farbton wie flüssiges Adrenalin, schimmert über den perfekt modellierten Rundungen. Die „4,18 m langen Proportionen“ sind fast schon klassisch: flach, breit, kompakt, kein übertriebener Spoiler, sondern klare Linien und Konzentration auf das Wesentliche. Das ist kein Auto, das aufdringlich wirken muss. Es flüstert: „Wenn du weißt, was du tust, wirst du mich verstehen.“

Der Blick fällt auf Details, die mehr erzählen als jede Datenzeile: die markante Front mit ihren „vier Augen“, die optional schwarz eingefassten Scheinwerfer, die filigranen 18-Zoll-Grand-Prix-Felgen und die blauen Bremssättel. Und dann kommt der Punkt, der dieses Auto anders macht: die pure Leichtigkeit. Etwa 1.100 Kilogramm fahrfertig – ein Wert aus einer Zeit, in der Ingenieure Gewicht verachteten und Grip ehrten. Heute ist das fast eine rebellische Entscheidung.

Wir öffnen die leichte Tür, setzen uns tief in die beheizbaren Ledersitze. Keine übertriebene Lounge, kein Ablenkungstheater. Aluminium-Pedale, kompakte Anzeigen, fein beledert, sauber vernäht – ein Cockpit, das uns nicht inszeniert, sondern einschließt. Alpine-Telemetrics wartet bereit, um uns Herzfrequenz und G-Kräfte zu zeigen, nicht Social-Media-WLAN. Die Fußstütze aus Aluminium, die Leder-Fußmatten mit Alpine-Logo, die filigrane Aluminium-Mittelkonsole mit sportlichem 7“ Touchscreen des Multimedia-System inklusive Focal-Premium Systems – alles spricht von Leidenschaft für Fahrer.

Startknopf. Ein kurzer Puls geht durch den relativ 1,8 Liter kleinen Turbo-Vierzylinder. Kein Gebrüll, kein Showeffekt – nur Fokus. Wir rollen an, und schon die ersten Meter erzählen, worum es hier geht: Gefühl. Balance. Ehrlichkeit. Je mehr moderne Sportwagen versuchen, Mensch und Maschine voneinander abzuschotten, desto näher rückt uns diese Alpine ans Herz.

Die 221 kW / 300 PS schieben nicht nur brachial, sondern präzise. Der Mittelmotor liegt wie ein Herzmuskel zwischen uns und dem Asphalt, die 7-Gang-Doppelkupplung schaltet chirurgisch. Einlenken: sofort. Lastwechsel: klar definiert. Jede Lenkbewegung wird beantwortet, nicht interpretiert. Wir spüren die Vorderachse leben, spüren den Heckmotor arbeiten, werden Teil der Mechanik. Die Alpine sprintet in glatten vier Sekunden auf 100 km/h, doch diese Zahl beschreibt nicht, was passiert. Was passiert, ist Vertrauen. Rhythmus. Und Nähe besonders in den Fahrmodi Sport oder gar Track!

Wir geben Tempo, kurven über Landstraßen. Keine Kopfbewegung, keine Nervosität. Nur Tanz. Leicht, direkt, organisch. Die Brembo-Bremsen packen zu, bleiben aber neutral und vorhersehbar. Das Fahrwerk glättet nicht weg, sondern formt Linie und Körpergefühl. Hier fährt nicht ein Auto für Zahlenwerte. Hier fährt ein Auto für Fahrer-Menschen.

Und natürlich könnte man von Verbrauch sprechen – wir notieren im Alltag rund 7,5 bis 9,0 Liter, je nach Lust am Gasfuß. Aber seien wir ehrlich: Wer dieses Auto fährt, rechnet nicht in Litern, sondern in Pulsschlägen pro Minute. Effizienz kann man anderswo suchen. Emotion nicht.

Wir halten inne. Der Motor knistert leise, der Duft warmen Lacks hängt in der Luft. Und plötzlich wird uns bewusst: Das hier ist mehr als eine Probefahrt. Es ist ein Abschied. Eine Verneigung vor einer Ära, die endet. Die nächste Alpine-Generation wird vollelektrisch sein. Sicher beeindruckend, sicher schnell, technologisch brillant. Aber nie wieder so. Nie wieder dieses Gefühl, dass Leichtigkeit und Verbrenner-Heartbeat zusammen ein Kunstwerk schaffen. Heute verstehen wir, wie sich Fahrer gefühlt haben müssen, als die letzte analoge Ära der Supersportwagen begann zu verblassen. Wir wissen, dass wir in diesem Moment etwas erleben, das bald Geschichte ist.

Wir steigen aus und drehen uns um, unfähig einfach wegzugehen. Diese Alpine hat uns nicht nur angeschrien – sie hat uns gleichzeitig geflüstert, uns eingeladen, uns gefordert und belohnt. Sie ist nicht nur ein Auto. Sie ist ein Argument. Ein Abschiedsbrief an eine Philosophie. Ein Beweis, dass wahre Emotion nicht nur laut sein muss – nur ehrlich.

Fazit: Die Alpine A110 GT ist ein Sportwagen wie ein Herzschlag: spürbar, unmittelbar, pur. Sie beweist, dass Leichtigkeit mehr berührt als PS-Schlachten. Ein Fahrerauto in seiner reinsten Form, ein Stück Motorsport-DNA für die Straße, ein letzter, leuchtender Gruß der mechanischen Emotion, bevor die Zukunft leise summt. Wer wissen will, warum wir solche Autos lieben, muss sie fahren. Wer sie gefahren ist, vergisst sie nie – so wie diese Alpine A110 GT. Kultstatus!

Fotos: © slz

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