Enns. Hermine Liska, eine anerkannte Zeitzeugin der ersten Generation, war 26 Jahre in Hunderten Schulen unterwegs, ehe sie 2024 im 95. Lebensjahr verstarb. Doch ihre Geschichte lebt weiter. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung entstand eine DVD mit dem Titel „Erziehungsproblem eines Diktators.“ Mit diesem Film ist es der Referentin des Vereins Lila Winkel, Esther Dürnberger, möglich, die Geschichte von Hermine Liska, die auch Trägerin des Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich war, authentisch nachzuerzählen.

Die 40 Schüler:innen der MMS Enns bekamen am 25. November 2025 einen Einblick in eine Zeit, in der für Andersdenkende kein Platz war und die Religionsfreiheit eingegrenzt wurde. Menschenwürde war ein Fremdwort und Ausgrenzung an der Tagesordnung. Hermine verweigerte mit 11 Jahren den deutschen Gruß, das Singen patriotischer Lieder und den Fahnengruß. Sie gehörte wie ihre Eltern den Bibelforschern an (wie Zeugen Jehovas damals genannt wurden) und konnte aus biblischer Überzeugung Hitler nicht als Führer anerkennen. Daran änderte auch die Unterbringung in einem Umerziehungsheim nichts.
Besonders angetan war die Klasse von der Standhaftigkeit der jungen Hermine. Man wollte sie zwingen, die Hand zu heben, die Jacke der Hitlerjugend anzuziehen, und verweigerte ihr trotz guter Schulnoten den Besuch der Hauptschule. Sie erhielt die schlechteste Betragensnote, durfte beim Völkerball nicht mitspielen und bekam am Sonntag keine Nachspeise, den beliebten Pudding. Auch jahrelanger Spott und Ausgrenzung änderten nichts an ihrer Überzeugung. Nie dachte sie an Rache und bewahrte sich ihr ganzes Leben lang eine positive Einstellung. Ihre Ausstrahlung und ihr gewinnendes Lächeln überzeugten sogar von der Leinwand.
Die Geschichte der 11-jährigen Hermine ging zu Herzen. Die Schüler:innen hatten auch die Möglichkeit, sich in das Buch der Erinnerung einzutragen.
Gleich sechs Schüler:innen waren auch für ein kurzes Interview bereit und beschrieben ihre Eindrücke so:
Mustapha: „Hermine war ein starkes Mädchen. Ich mag starke, geistige Menschen, die für ihre Überzeugung eintreten. Ich möchte immer daran denken, dass jeder Mensch Rechte hat und zu nichts gezwungen werden darf, was gegen seine Überzeugung ist.“
Matteo: „Es wäre eine schöne Welt, wenn jeder das glauben dürfte, was er möchte. In Wirklichkeit sind wir doch eine große Familie, bei der es egal sein muss, ob jemand ein Muslim, ein Katholik, ein Orthodoxer oder ein Zeuge Jehovas ist. Mein fester Vorsatz: Nein zu Mobbing.“
Niklas: „Es ist wirklich fürchterlich, andere Menschen zu unterdrücken. Durch diese detaillierte Erzählung kann ich mir jetzt richtig gut vorstellen, wie es früher war, einen anderen Glauben zu haben oder aus einem anderen Land zu sein.“
Adam: „Hermine wollte das Nazi-Regime nicht unterstützen und wurde deshalb ausgeschlossen, den Eltern weggenommen, auf eine andere Schule geschickt und schlecht behandelt. Würden wir uns alle mehr Respekt entgegenbringen, dann würden sich alle Menschen gut verstehen.“
Aurela: „Die mutige Hermine sagte NEIN. Sie wurde von der Gesellschaft als schwach bezeichnet, aber in Wirklichkeit war sie eine ganz Starke. Da wir oft nicht die Geschichte eines Menschen kennen, wäre es gut, nicht vorab zu urteilen, sondern einander offen zu begegnen.“
Edvin: „Hermine war so tapfer. Sie folgte nicht Hitler, sondern hörte auf ihre innere Stimme. Schockierend war für mich, dass es über 15.000 Konzentrationslager gab und dass im Nationalsozialismus die allgemeinen Menschenrechte nicht galten.“
Das Zeitzeugenprojekt endete mit dem Satz: „Wenn alle Menschen, wie Hermine Liska, nach der Goldenen Regel Behandelt andere immer so, wie ihr von ihnen behandelt werden möchtet (Zitat aus der Bergpredigt Jesu im Matthäusevangelium, Anm.) leben würden, wäre die Welt eine andere.“
Fotos: © FMZ
Kontakt:
Franz Michael Zagler
Tel: 0676 637 84 96
E-Mail: fmzagler@fmzagler.at