Start Thema International Zeitzeugin in HAK Waidhofen „KEIN Brot – das ist hart!“

Zeitzeugin in HAK Waidhofen „KEIN Brot – das ist hart!“

Fr. Mag. Brigitte Steininger, Celina Samassa, Emma Wachauer, Franziska Ciml neben Fr. Ingrid Portenschlager (Foto: © Franz Michael Zagler)

Waidhofen. Frau Ingrid Portenschlager, Zeitzeugin der 2. Generation war am Mittwoch, dem 30. November Gast in der HAK Waidhofen. Sie erzählte die Geschichte ihres Vaters Ernst Reiter, der als Bibelforscher (wie damals Jehovas Zeugen genannt wurden) nach 1600 Tagen im Konzentrationslager Flossenbürg schwer traumatisiert nach Hause kam.

Schubkarre für die Schwächsten
Der berührende Vortrag der 73jährigen holte den Holocaust und seine grausamen Auswirkungen in die Jetztzeit. „Aus Fehlern lernt man“, so Fr. Portenschlager „aber hätten wir wirklich aus der Geschichte gelernt, hätten wir heute keinen Krieg in der Ukraine.“ Die 15 SchülerInnen verfolgten aufmerksam den Erzählungen über Portenschlagers Vater, der Einzelhaft, Folter und Hunger durchlebte, nur weil er den Dienst mit der Waffe verweigerte. Ernst Reiter überlebte alle Torturen ohne Verbitterung und Hass. Selbst den Todesmarsch am Ende des Krieges überstand er. Die 23köpfige Gruppe der Bibelforscher mit dem Lila Winkel, der Ernst Reiter angehörte, hielt eisern zusammen und jeder opferte sich für den anderen auf. So organisierten sie sich eine Schubkarre, in die sie den jeweils Schwächsten unter ihnen legten.

15 SchülerInnen hörten die spannende Begebenheit über den Todesmarsch (Foto Franz Michael Zagler)

Weißes Blatt – Schwarzer Punkt
Dieser gelebte Zusammenhalt war eine der Lehren, die Tochter Ingrid für ihr Leben zog. Ihr Vater mahnte seine drei Töchter, mit allen Menschen gut auszukommen und das Positive zu sehen. Noch heute erinnert sie sich an das weiße Blatt Papier mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Auf die Frage ihres Vaters, was sie denn sehe, wies sie auf den schwarzen Punkt hin. Ihr Vater lehrte sie, alle Menschen als ein weißes Blatt Papier zu sehen, statt sich auf die Fehler, die jeder hat, zu konzentrieren.

„Komm Max, trinken wir ein Bier“
An eine Begebenheit erinnert sich Ingrid noch, als wäre es gestern gewesen. Als 16jährige war sie gerade mit ihrem Vater unterwegs, als sie zufällig einen ehemaligen Peiniger trafen. Dieser hasste Ernst Reiter so sehr, dass er ihn jedes Mal, wenn er ihn im KZ sah, mit einem Gartenschlauch, gefüllt mit Sand, heftig schlug. Aber anstatt den damaligen Kapo zur Rede zu stellen oder ihm Vorwürfe zu machen, sagte ihr Vater nur: „Komm Max, trinken wir ein Bier“, das er auch noch bezahlte.
„KEIN Brot – das ist hart!“
Auch lehrte er sie, mit Lebensmittel nie verschwenderisch umzugehen. Im Lager gab es nur eine ungewürzte Wassersuppe mit ungeputztem Gemüse. Im Winter war sie gefroren, im Sommer war das Gemüse verfault. Der Hunger war sein ständiger Begleiter. Als sie sich als Kinder einmal über ein hartes Brot beschwerten, sagte er: „KEIN Brot – das ist hart.“

Die Botschaft kam an. Drei Schülerinnen beschrieben direkt im Anschluss ihre Eindrücke.

Celina: „Mir zollte es großen Respekt ab, dass Herr Reiter mehrmals in Flossenburg war und so mithalf, die Geschichte aufzuarbeiten. Er hatte eine schwere Kindheit, war mit 11 Jahren Vollwaise und musste sein Leben allein meistern. Umso erstaunlicher, wie er das schaffte und welche Lehren er bis heute dadurch an seine Nachwelt weitergibt.“

Emma: „Mich beeindruckte die Stärke von Ernst Reiter, der keinen Groll hegte und seinem Peiniger nach dem Krieg sogar ein Bier bezahlte. Anstatt verbittert zu sein, sprach er offen über das Erlebte und bewahrte so seine Geschichte vor dem Vergessen.“

Franziska: „Ich finde es bemerkenswert, wie positiv er trotz aller Ungerechtigkeiten sein Leben sah. Er gab seinen Kindern durch seine Zufriedenheit und Dankbarkeit ein großes Vorbild. Wir können uns solche Umstände gar nicht vorstellen. Diese Lebenseinstellung ist echt inspirierend.“

Die SchülerInnen hatten nach dem Vortrag die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Gerne ging Frau Portenschlager auf die durchdachten Überlegungen ein und beendete ihre Geschichte mit dem Satz: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Diese Perspektive machte Mut. Man spürte die Entschlossenheit, die Geschichte nicht wiederholen zu wollen und – so schloss sich der Kreis – aus Fehlern doch zu lernen.

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