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Seit im Jahr 2017 die Tätigkeit von Jehovas Zeugen in der Russischen Föderation faktisch verboten wurde, leiden Hunderte Angehörige der Glaubensgemeinschaft unter ungerechter Behandlung. Insgesamt 525 Namen, darunter die von mehr als 100 älteren Mitgliedern, kamen auf eine Liste von Personen, die wegen extremistischer oder terroristischer Aktivitäten unter Verdacht stehen.

Diese öffentliche Liste wird vom staatlichen Finanzüberwachungsdienst der Russischen Föderation (Rosfinmonitoring) geführt, einer Behörde zur Bekämpfung von Wirtschafts­kriminalität – eines Tatbestandes, der auch die Finanzierung extremistischer Organisationen einschließt. Um auf die Liste gesetzt zu werden, braucht die Schuld einer Person nicht gerichtlich nachgewiesen zu sein.

Bis Ende 2022 wurden 35 Zeugen Jehovas wieder von der Rosfinmonitoring-Liste gestrichen, nachdem sie eine Strafe verbüßt bzw. eine Geldstrafe bezahlt hatten. Wer weiter auf der Liste steht, ist von massiven wirtschaftlichen Einschränkungen betroffen: Bankkonten werden gesperrt und für laufende Ausgaben dürfen pro Familienmitglied monatlich nicht mehr als etwa 10.000 Rubel (ca. 135 EUR) abgehoben werden. Aktivitäten, die für die meisten von uns selbstverständlich zum Alltag gehören, – sei es der Kauf bzw. Verkauf eines Autos oder einer Immobilie, der Abschluss einer Versicherung, ein Antrag auf Arbeitslosenunterstützung, die Aufnahme eines Kredits oder der Antritt einer Erbschaft – sind für Glaubensmitglieder auf der Liste schwierig bis ganz unmöglich.

Der Hauptsitz des staatlichen Finanzüberwachungsdienstes der Russischen Föderation

Rentner und Personen mit einer Behinderung treffen die Sanktionen besonders hart, da sie dringend nötige medizinische Behandlungen nicht bezahlen können und öffentliche Verkehrsmittel nur begrenzt nutzen dürfen.

Anton Tschernych aus Ussurisk, dessen Name seit 2019 auf der Liste steht, erzählt: „Um mein Gehalt abzuheben, muss ich jeden Monat nachweisen, dass das Geld nicht aus illegalen Quellen stammt. Dazu ist es nötig, der Bank eine Menge Dokumente vorzulegen. Sie werden eingescannt und nach Moskau geschickt. Die Überprüfung der Dokumente dauert zwei Wochen. Dann erhalte ich einen Termin, zu dem ich wiederkommen soll. An diesem Tag zahlt ein Bankangestellter mir mein Gehalt von meinem Konto aus. Anschließend wird das Konto sofort wieder eingefroren. Wenn neue Bankangestellte erfahren, dass ich auf der Liste der Terroristen stehe, haben sie Angst vor mir.“

Trotz allem halten Jehovas Zeugen weiter an ihrer positiven Einstellung fest. Juri Belosludzew wurde auf die Liste gesetzt und zweieinhalb Jahre später zu einer sechsjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er berichtet: „Meine Konten wurden gesperrt, aber die Brüder und Schwestern (Glaubensmitglieder) haben meiner Frau und mir unter die Arme gegriffen. Für ihre Unterstützung sind wir Jehova (Gott) sehr dankbar.“

Kontakt:
Franz Michael Zagler,
Tel: 0676/637 84 96,
E-Mail: fm.zagler@outlook.com

Foto: © jw.org

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