Ab 3. Mai präsentiert die neue Archäologie-Ausstellung Erkenntnisse aus den Domplatz-Ausgrabungen. Mit digitalen Rekonstruktionen und Fundstücken erzählt sie die wechselvolle Geschichte eines Platzes, der keiner war.
Die zehn Jahre dauernden archäologischen Grabungen haben sensationelle Ergebnisse zutage gebracht. Wie aus dem Titel „Von Steinen und Beinen” bereits hervorgeht, ist die Ausstellung des Stadtarchäologen Ronald Risy zweigeteilt. Über Zeitportale werden die Besucher:innen zum ersten Teil der Ausstellung geführt, der sich „den Steinen“, also den aufgedeckten Mauerresten widmet.
Über einem bisher völlig unbekannten römischen Verwaltungspalast aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. entstand ein aus mehreren heute verschwundenen Gebäuden zusammengesetztes mittelalterliches Kirchenensemble. Die Gemäuer einer Andreaskapelle sowie einer Leutkirche prägten das Aussehen des Platzes über Jahrhunderte. Mit dem Einsatz modernster Möglichkeiten werden die alten Mauerreste wieder als vollständige Gebäude sichtbar und Besucher:innen erhalten einen realistischen Blick durch digitales Fenster in die Vergangenheit. Präsentiert werden zudem die herausragendsten Funde der Grabungen am Domplatz. Diese werden unter anderem ergänzt durch bisher noch nicht in Österreich gezeigte Mosaikplatten und Marmorverkleidungen aus dem spätantiken Verwaltungspalast in Savaria, heute Szombathely, Ungarn. Ein auch heute wichtiges und modernes Thema widmet sich der früheren Wiederverwendung von Baumaterial. Der letzte Raum des ersten Abschnittes über „die Steine“ zeigt das umfangreiche Fundmaterial aus einem freigelegten Klostertrakt, das ein Blitzlicht auf das Leben im mittelalterlichen Kloster wirft.
Beine vom ehemaligen Stadtfriedhof lüften Geheimnisse
Der zweite Teil der Ausstellung ist dem ehemaligen Stadtfriedhof und damit „den Beinen“ gewidmet. Unter dem Belag des heutigen Domplatzes befand sich ein gewaltiger Friedhof, der vom Mittelalter bis in die Neuzeit genutzt wurde. Während der zehnjährigen Grabungen wurden mehr als 22.000 Skelette freigelegt und einmalige Einblicke in die Organisation und das Bestattungswesen eines Friedhofs über mehrere Jahrhunderte hinweg gewonnen. Die Ausgrabung ist europaweit einzigartig, wenn nicht sogar weltweit, denn nirgends wo wurden bisher so viele Bestattungen aus einem Friedhof ausgegraben.
Präsentiert werden in diesem Teil der Ausstellung nicht nur Originalfunde vom Domplatz, sondern auch erstmals die aufsehenerregenden Resultate der naturwissenschaftlichen Untersuchungen, die einen tiefen Einblick in die Lebensbedingungen der St. Pöltner Bevölkerung in früheren Zeiten geben. Das Leben von früher erzählt von diversen Begräbnisritualen sowie tiefer Religiosität, aber auch von Aberglauben und der Angst vor Widergängern oder Nachzehrern.
Zu den Forschungsergebnissen gehören auch wichtige Erkenntnisse rund um Krankheiten, die für die Weiterentwicklung der Medizin bedeutend sein können. Zudem fand sich auch der Beweis an den Knochen, dass die Geschlechtskrankheit Syphilis nicht aus der Neuen Welt kam, sondern bereits vor Columbus in Europa existierte.
„Die Grabung auf dem Domplatz war nicht nur das größte archäologische Projekt der letzten Jahrzehnte, sie ist vor allem das bedeutendste wissenschaftliche Projekt der letzten Zeit, dessen Ergebnisse unser Wissen um die Geschichte unserer Stadt in vielfältiger Weise enorm erweitert“, sind Museumsleiter Thomas Pulle und Stadtarchäologe Ronald Risy überzeugt.
Mixed Reality lässt Gotteshäuser wiederauferstehen
Zusätzlich werden die beiden ehemaligen Gotteshäuser am Domplatz in 3D rekonstruiert und ab August mittels Mixed Reality wieder erlebbar. Extented-Reality-Brillen ermöglichen es zum ersten Mal, bei einem Rundgang im Freien die ursprüngliche Größe der Leutkirche und der Andreaskapelle an ihrem Platz am Domplatz zu bestaunen und das Innere der Bauwerke zu erkunden.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist vom 3. Mai 2024 bis 2. November 2025 mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr im Stadtmuseum (Prandtauerstraße 2, 3100 St. Pölten) zu sehen.