Wegen ihrer friedlichen Haltung und politischen Neutralität mussten Jehovas Zeugen schon viele Anfeindungen ertragen. Besonders zur Zeit des Nationalsozialismus waren sie Verfolgung ausgesetzt. Am 7. Oktober 1934 protestierten sie mit rund 20.000 Telegrammen und Briefen gegen die Unterdrückung.

WIEN, 7. Oktober – Vor genau 90 Jahren bewiesen Jehovas Zeugen in Deutschland, Österreich und 49 weiteren Ländern außergewöhnlichen Mut, indem sie öffentlich die Behandlung durch das NS-Regime verurteilten. „Hitler-Regierung, Berlin, Deutschland. Ihre schlechte Behandlung der Zeugen Jehovas empört alle guten Menschen und entehrt Gottes Namen“, so war es in zahlreichen Telegrammen zu lesen, die an die deutsche Regierung gesandt wurden. „Hören Sie auf, Jehovas Zeugen weiterhin zu verfolgen, sonst wird Gott Sie und Ihre nationale Partei vernichten.“

Die Absender unterzeichneten die Schriftstücke mit „JEHOVAS ZEUGEN“ und fügten den Ortssitz der jeweiligen Gemeinde hinzu. „Auch Jehovas Zeugen in Österreich beteiligten sich an dieser Telegrammaktion, wie das z.B. der bekannte Zeitzeuge Leopold Engleitner in seinen Erinnerungen bestätigte“, so Markus Kakavis, Sprecher von Jehovas Zeugen in Österreich. Dieses furchtlose Handeln konfrontierte Hitler erneut mit einer aus seiner Sicht „lächerlichen“ Minderheit. Doch deren couragiertes Handeln war nicht das erste Aufeinandertreffen.

Telegramm und Brief, 7.10.1934 Quelle: JZ

Ultimatum an Hitler
Bereits im Februar 1934 hatte sich Joseph F. Rutherford, ein Vertreter der Religionsgemeinschaft, an Adolf Hitler gewandt. „Falls bis zum 24. März 1934 auf dieses ernstliche Begehren keine Antwort erfolgt und von Seiten Ihrer Regierung nichts getan wird, um den oben erwähnten Zeugen Jehovas in Deutschland Erleichterung zu gewähren, dann wird Gottes Volk [die Zeugen Jehovas] in anderen Ländern […] mit der Veröffentlichung der Tatsachen über Deutschlands ungerechte Behandlung von Christen beginnen“, hatte er in einem Brief gewarnt. Doch dieses Ultimatum ließ Hitler verstreichen.

Als sich das NS-Regime am 7. Oktober 1934 mit der Flut an Telegrammen und Briefen konfrontiert sah, reagierten die Nationalsozialisten mit einer verstärkten Verhaftungswelle durch die Gestapo. Für viele Gläubige bedeutete das grausame Verfolgung, KZ und sogar den Tod. „In Österreich ging die Verfolgung der Zeugen Jehovas im austrofaschistischen Ständestaat nahtlos in die Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach dem Anschluss 1938 über. Ein Beispiel ist Ernst Reiter. Bereits im Spätsommer 1938 wurde er wegen Wehrdienstverweigerung verhaftet und überlebte fünf Gefängnisse und fünf Jahre im KZ Flossenbürg“, so Kakavis.

Am 22. Juni 2023 beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig, für die unter dem NS-Regime verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas ein Mahnmal in Berlin zu errichten – zur Erinnerung an ihre Zivilcourage und Standhaftigkeit die u.a. durch länderübergreifende Aktionen wie die vom 7. Oktober 1934 zum Ausdruck kam und niemals vergessen werden sollte.

Obwohl Jehovas Zeugen schon immer politisch neutral waren und damit für keine Regierung eine Gefahr darstellen, wurden sie oft Zielscheibe von totalitären Regimes.

 

Von den über 800 Zeuginnen und Zeugen Jehovas, die 1938 in Österreich lebten, wurden 730 unmittelbar oder mittelbar von den Nationalsozialisten verfolgt, 168 wurden ermordet oder starben an den Folgen unmenschlicher Behandlung.

 

Auf Grund der Kriegsdienstverweigerung wurden einige Zeugen Jehovas wegen Zersetzung der Wehrkraft nach § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung zum Tod durch Enthauptung verurteilt.

 

Etwa 50 Männer wurden deshalb hingerichtet, die Mehrzahl in Berlin-Plötzensee oder im Zuchthaus Brandenburg-Görden.

 

Europaweit wurden ca. 4 500 zu Zwangsarbeit in Konzentrationslagern verurteilt. Insgesamt kamen mehr als 1 750 zu Tode, davon wurden 282 aufgrund von Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen hingerichtet.

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